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PERÚ - Kurata kaisuma masato!

Yurimaguas

In Tarapoto verabschieden wir uns von unserem Lieblings-Deutschpolen Clint und ziehen wieder alleine los - erstmal kaufen wir Hängematten und Proviant für die Frachtschiff- Reise und dann geht's auch schon ins kleine Dörfchen Yurimaguas. Die Fahrt durch den Regenwald lässt unsere Herzen höher schlagen! ❤ es fehlen nur mehr Äffchen, Papageien und Tarzan...
In Yurimaguas wird unser kleiner Bus von zahlreichen Motofahrern verfolgt - denn zwei Gringas sitzen drin. Wir fühlen uns fast wie in Südostasien umzingelt von Tuktuk-Fahrern.
Ever scheint uns am sympathischten zu sein und so laden wir unsere Sachen auf das - mit Abstand älteste - Moto und lassen uns zum Hafen bringen. 
Wir dachten, dass wir hier auf ein paar andere Touristen treffen werden, die auf ein Frachtschiff warten - aber nein, wir sind weit und breit die einzigen Bleichgesichter hier. Am Hafen wimmelt es nur so von Hafenarbeitern, die mit der Hand die Fracht verladen, uns anstarren oder Marihuana verkaufen wollen. Hm ok. Wo sind wir denn hier gelandet?! 
Uns wird eine rostige Karre gezeigt, wo ein kleiner Platz von Kisten freigemacht wird, damit wir in unseren Hängematten aufhängen können - dafür müssen wir bei Kühen vorbei, über Plastikboxen mit Hühnern drin steigen und auf scharfen Metallrahmen drüberspazieren, während wir von der teilweise zahnlosen Crew angelächelt werden. ¡No gracias! Da warten wir lieber zwei Tage, bis ein Eduardofrachtschiff ablegt, das ganz offiziell und legal Passagiere mitnimmt.
Der Hafenarbeiter Cäsar vermietet uns für €2,50/Person eines der Zimmer (das wahrscheinlich schimmeligste bisher - einen staubigen Baustellenventilator bringt er uns gratis obendrauf 😉) in seinem Haus und wir fallen mal komplett ko ins muffelige Bett und fragen uns, ob das eine gute Idee war, mit so einem Kahn über den Amazonas zu schippern und wo sind eigentlich alle anderen Touris!?
Am Nachmittag schauen wir uns ein wenig um, werden von den Einheimischen freundlich angelächelt und beobachten die Kinder beim Fußballspielen.
Auf einmal ruft jemand hinter uns "¡Señorita Karin!", wir drehen uns um und erblicken Ever - den Motofahrer vom Morgen. 
Mit ihm gehen wir dann noch zum Markt, probieren gegrillte Maden (schleimig, jedoch vitaminreich!😉) und trinken ganz peruanisch Bier (=eine Bierflasche, Gläser für jeden und einen Spuckbecher für den letzten Rest).
Das Spazierengehen und gemütliche Biertrinken mit Ever wiederholt sich am nächsten Tag und dann geht's endlich - mit Cäsars Hilfe - aufs nicht ganz so rostige Frachtschiff. 😍
Abfahrt wäre für Freitag Nachmittag geplant - doch das heißt hier nichts, immerhin gibt's noch jede Menge Ware aufzuladen. Jeder Arbeiter sagt etwas anderes - / Heute Abend geht's los! / Morgen früh geht's los! / Das Beladen dauert bis Sonntag! / Ihr müsst wieder runter, wenn Kühe geladen sind, dürfen keine Passagiere mit! / Doch, das Schiff fährt mit Passagieren! 
Also einfach ruhig bleiben und abwarten, was passiert. Wir schlafen noch zwei Nächte am Schiff am Hafen und treffen uns noch auf ein letztes Bierchen mit Ever, bevor es dann tatsächlich vollbeladen losgeht...

Mit dem Frachtschiff über den Amazonas nach Iquitos

Weil das Schiff so mit Fracht angefüllt ist, ist nur am oberen Deck Platz für unsere Hängematten. Normalerweise ist nur das riesige Unterdeck mit Fracht gefüllt, das mittlere mit Passagieren und das obere ebenfalls mit Passagieren, die es gerne windiger hätten. Auch Ever ist fasziniert, wie viel Fracht auf das Schiff befördert wird - so ein vollgestopftes Frachtschiff habe er noch nie gesehen. 😅 

In der Zwischenzeit haben sich auch tatsächlich andere Touristen als Passagiere eingefunden - Alex und Kerstin aus Deutschland, Jan und Sarah aus der Schweiz und Ricky, ein Argentinier mit seiner heißgeliebten Schnapsflasche. Na, das kann ja nur lustig werden. Vor allem, weil 6 Venezolaner unter dem überdachten Teil schlafen und wir uns rundherum gespannt haben. Hoffen wir mal auf eine regenfreie Fahrt. 😉

Es ist so unglaublich gemütlich in einer so einfachen Hängematte! Den Großteil des Tages liegen wir drin und lesen oder beobachten den Dschungel und die kleinen Holzhäuser, die am Ufer vorbeiziehen.

Die Ruhe an Board wird nur dreimal am Tag von der Schiffskochglocke gestört. Jeder schnappt sich seine mitgebrachte Plastikschüssel und Besteck, quetscht sich an den Avocado- und Mandarinenkisten vorbei zur Schiffsküche und holt sich seine Portion. Und das Essen ist auch besser als gedacht! 

Wenn wir gerade nicht lesen, spielen wir mit den anderen UNO, quatschen mit Alex und Kerstin über unsere Reiseerlebnisse oder schauen dem 3-jährigen Alexander und seinen Brüdern beim Spielen zu. Die drei Burschen können sich tatsächlich drei Tage lang unentwegt mit ihren Plastiktieren beschäftigen.

Wir beide haben vom Kapitän eine Kabine gratis zugeteilt bekommen -  in diese verziehen wir uns, wenn schwerere Regenschauer aufziehen. Das Schönste danach ist die "frisch gewaschene" Luft und ein greller Regenbogen über dem Amazonas.

Weil es oben so warm ist, kühlen wir unser mitgebrachtes Bier im Kühlschrank in der kleinen Schiffsbar ein. Weil anscheinend so viele bierliebende Männer an Board sind, verkauft Nilo - der Barbesitzer - unser Bier "unabsichtlich" an seine Kunden. Als wir im kleinen Dschungelstädtchen Nauta einen 2stündigen Zwischenstopp einlegen, laufen wir also mit Nilo von Board und werden gemeinsam mit Ricky auf ein paar Runden Bier und Tanzstunden in der einzigen Bar Nautas eingeladen. Na, da wird dem schrulligen Barbesitzer natürlich gerne vergeben. ;-)

Nachdem wir am Sonntag früh am Morgen abgelegt haben, erreichen wir am Dienstag Vormittag Iquitos...


Iquitos

Iquitos ist die größte Stadt der Welt, die nur durch Schiffe oder Flugzeuge erreichbar ist. Keine Straße führt so weit in das Amazonasgebiet... So stellen wir uns diese Stadt auch sehr grün und von Regenwald umgeben vor - vielleicht hier und da ein Moto, doch sonst ruhig und sauber... Denkste! 

Leider ist das Gegenteil der Fall! 

Es wimmelt nur so von hupenden, meist passagierlosen Motos auf den staubigen, teilweise zugemüllten Straßen. 

Da wo am Vormittag ein mit Menschen und Lebensmitteln kunterbunter Markt war, hüpfen am Nachmittag schwarze Geier herum und  streiten sich um die zurück gelassenen Essensreste. Diese Geier sind hier in Peru übrigens natürliche Wasserreiniger - sie fressen u.a. auch Müll und Kadaver, die in den Flüssen schwimmen und vermeiden so die Ausbreitung diverser Krankheiten. 

Im Zentrum von Iquitos ist aber alles touristenfreundlich gestaltet. Der Plaza de Armas (Hauptplatz) ist gesäumt von westlichen Restaurants und Touranbietern.

Wir bleiben hier im Green Track Hostel - denn dieses bietet die nachhaltigste Tour in das Tapiche Reservat mitten im Amazonas-Dschungel an. Wir buchen die Tour gleich bei der Ankunft für zwei Tage später, waschen unsere Wäsche und kaufen uns helle Männerhemden (helle Kleidung ist wichtig wegen der Moskitoschwärme im feuchten Regenwald & Frauenkleidung ist uns zu klein hier 😅).

Am selben Tag wird uns die Tour abgesagt und dann wieder zugesagt - puh, doch noch mal Glück gehabt...

Am nächsten Morgen erfahren wir, dass ein Bootmotor gestohlen wurde und wir deshalb nicht zum Reservat gebracht werden können. 😣

Ihr seht schon - für Perfektionisten ist Nordperu nichts - alles kommt anders als gedacht und man sollte für jede Aktivität ein paar Tage mehr einplanen...

So kontaktieren wir Oswaldo - einen professionellen Dschungelguide - und der verspricht uns auch gleich eine 5Tages-Tour für den nächsten Tag.   


Amazonas

Früh am Morgen werden wir also abgeholt und nach Nauta gebracht, wo unser Boot inkl. Crew auf uns wartet. Oswaldo selbst hat keine Zeit und hat uns deshalb seinen spanischsprechenden Amigo Wayne Salomon als Guide geschickt (eigentlich hätten wir eine englische Tour gebucht, aber meine Güte - in Peru kommt halt alles anders als gedacht/gebucht 😅). Mit an Board sind Motorista Julio und Köchin María, Julios Frau.
In Nauta selbst beobachten wir bereits zahlreiche Schildkröten, die sich im See am "Hauptplatz" tummeln.
Dann geht's los aufs Boot. Den ersten Stopp legen wir bei Julios Dorf (8 Häuser + eine Schule für 10 Kinder) ein, wo Küchenutensilien aufgeladen werden, während wir mit den aufgeweckten Dorfkindern herum albern und tanzen.
Wenn wir am Boot auf dem breiten Fluss zwischen dem Regenwald sitzen, fühlen wir uns wie im Paradies! Die saftiggrünen Bäume und der blaue Himmel spiegeln sich im Wasser wider, während Affenfamilien aufgeregt auf den Ästen herum balancieren und ein Faultier gemütlich in einer Baumkrone hängt und sich Früchte ins Maul stopft. 
Dann tauchen auch noch die rosa (eher nicht so süßen - Köpfe schauen ein bisschen "eingedepscht" aus 😂) Amazonasdelfine neben unserem Boot auf. 
Und um das Ganze zu toppen, spielt uns Wayne selbstkomponierte Lieder auf seiner Gitarre vor, während wir die Natur bewundern.
Geschlafen wird in Zelten und gegessen direkt daneben in der von Julio in ein paar Minuten gezimmerten Dschungelküche.
Außerdem gräbt er uns ein Klo-Loch im Sichtschutz eines riesigen Baumes.
Was braucht man mehr zum Glücklichsein? 💗
Eventuell Peruanisches Blut - denn die Moskitos gehen gesammelt auf uns los. Sobald wir ein bisschen Haut zeigen, ist diese wenig später auch schon von roten Einstich- Flecken gesäumt und die Peruaner laufen vergnügt in ihren kurzen Hosen herum... lt. Wayne stehen die Mücken hier auf frisches Gringablut. 😣
Mit Macheten bewaffnet machen wir uns auch tiefer in den Dschungel auf, lernen Insekten, Spinnen und medizinische Pflanzen kennen. Außerdem kosten wir fremde Früchte, Pilze und Beeren. Es ist ein Wahnsinn, wofür die Bäume hier verwendet werden können - einer mit extrem langen Wurzeln dient als Dschungeltelefon (wenn man auf die Wurzeln schlägt hallt es km-weit), Baumharz wird als Kleber oder Gummi verwendet, aus einer Liane fließt klares Wasser, wenn man sie vom Baum abschneidet... Also falls wir mal unvorbereitet mitten im Dschungel landen würden - jetzt würden wir auf jedenfall "Robinson Crusoe mäßig" überleben 😎.
Hin und wieder springen Äffchen über unsere Köpfe oder Ara Papageien fliegen kreischend aus den Baumkronen.
Im Fluss machen wir uns auf die Suche nach Anacondas und Kaimane. Dadurch, dass das Wasser so hoch steht, verstecken sich die Kaimane weiter drin unter den Baumwurzeln. Da haben wir echt nichts dagegen - so ein sechs Meter Kroko müssen wir nicht unbedingt von unserem kleinen Holzbötchen aus treffen...
Natürlich machen wir uns ans Piraña-Fischen - der einzig erfolgreiche Fischer ist Wayne, der einen Babypiraña aus dem Fluss fischt. Der wird zum Abendessen natürlich gleich gegrillt und verspeist.
Da wir in unseren langärmeligen Gewändern wie verrückt schwitzen und keine Badewanne zur Verfügung steht, springen wir jeden zweiten Tag ins kühle/manchmal warme Nass des Amazonas. "Sind da eh keine Pirañas, Kaimane oder Anacondas drin?" - "Doch klar, wir sind ja mitten in der Natur! Aber keine Sorge - solange ihr keine großen offenen Wunden habt, passiert nichts!" - Na super! 
Gut, dass das Wasser undurchsichtig braun ist... 😂
Manchmal spüren wir kleine Minifischchen, die uns anknabbern - doch sonst läuft alles glatt. Außer das Zurückkraxeln ins Boot - hier stellen wir uns immer ziemlich kompliziert und ungrazil an.
Wenn wir dann sauber und voller Moskitostiche zu unserem Lager zurück kehren, wartet María schon mit leckerem Mittagessen und den Worten "Kurata kaisuma masato"(in ihrer Sprache "Kommt, lasst uns Yucasaft trinken!) auf uns. Als unsere Hühnchenvorräte zur Neige gehen, besorgen wir uns frische Fische von einem kleinen Fischerdörfchen.
Und diese schwarzen Cuiu Cuiu Fische werden Karin zum Verhängnis und sie erlebt die schlimmste Nacht der gesamten Weltreise.
Umstände: schwere Regenschauer, ein protestierender Magen/Darm; Moskitoschwärme, die vor dem Zelt warten; ein 300m entferntes Dschungelklo; der patschnasse Weg dorthin; noch mehr Moskitos, die am Klo warten; der klatschnasse Weg zurück; Moskitoschwärme, die Karin ins Zelt verfolgen; Stunden des Moskitoerschlagens mit Binas Hilfe; Magenkrämpfe im undichten Zelt...In 10 Jahren kann sie vielleicht mal darüber lachen... Jetzt noch nicht! 😖
Am letzten Abend schmeißen wir uns in das letzte saubere Gewand und schwingen mit Wayne das Tanzbein in der einzigen Bar eines kleinen Dschungeldörfchens. Eigentlich schwingen nur Bina und Wayne ihre Tanzbeinchen, während Karin mit ihrem flauen Magen lieber einen Pixarfilm mit Opa und Enkelsohn des Hauses schaut.
Am letzten Tag werden wir von Julios Enkeltochter Lindsey bereits sehnsüchtig erwartet. Sie nimmt uns gleich bei der Hand und führt uns zum großen wandlosen Familienhaus. Dort zeigt uns Julio Waffen, die früher zur Jagd verwendet wurden. Bina schießt mit dem Pucuna (Mund Ding) gleich mal eine Papaya vom Baum. 
Dann begeben wir uns noch auf eine Kanufahrt durch das überschwemmte Sumpfgebiet hinter Julios Haus. Diese Natur ist ja auch schon wieder der Wahnsinn! Lindsey spielt ihren Opa nach und erklärt uns mit ausgestreckten Zeigefinger die Pflanzen - ¡Mira mira! Schau, Schau! Das ist ein kleines grünes Blatt, das isst auch meine Schildkröte. Das ist ein großer Baum, den kann meine Schildkröte nicht fressen!...😊
Unsere Reisecrew wächst uns wirklich ans Herz und wir bewundern diesen einfachen Lebensstil im Einklang mit der Natur.
Nach 5 Tagen Amazonasabenteuer freuen wir uns aber schon wieder auf ein komfortables Hostelbett mit Polster und eine Dusche mit klarem Wasser, Seife und Shampoo. 

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